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Mein Leben

Geboren bin ich an der Ostseeküste, nach wiederholten Kriegsunruhen des vergangenen Jahrhunderts, als jüngster Sohn von acht Kindern, von Mutter »Löwin der Unterschicht« und Vater »Adelskerl«. Ich suchte nach meinem Platz und ging unter Wasser.
Nach ausgiebiger Untergrabung der Gewässergründe der umliegenden Seen und Meere, hatte ich davon die Nase gestrichen voll.
Als Bestimmung nach ich mir die Keramik vor, ohne einen blassen Schimmer, um was es dort überhaupt geht. Bockstur blieb ich bei der Sache, und das gar nicht mal so schlecht. Meistens saß ich Rotznasen beobachtend in der Kneipe, bereicherte Gespräche mit Auserwählten aus der Boheme jeglicher Coleur, und hielt den Redeschwall flüssig, das Geschäft lief ja.

Im Regen stand ich erst, als sich der erträumte Kapitalismus kraftvoll emporhob und sich wie der Messias in der Landschaft verewigte.
Als erste Auswirkungen brachte er mir die Arbeitslosigkeit dann den Gerichtsvollzieher an den Hals. Zum Selbstschutz vor dieser Vergewaltigung verpisste ich mich schleunigst aus meiner Heimat und seit dieser Zeit - Herbst 89 des letzten Jahrhunderts - bin ich ewiger Tourist. Zwischenzeitlich hatte ich versucht zuhause Fuß zu fassen, indem ich architektonische Keramik anbot. Scheiße, ein halbes Jahrhundert zu früh. Ich tappte in eine Epoche des Raubtierkapitalismus hinein und die nächste werde ich nicht mehr erleben. In Freiburg auf dem Bordstein sitzend - als Abschaum der Gesellschaft - vernahm ich eine Stimme durch die Wolken: Werde Künstler! Um diesem Umstand das Größtmögliche abzugewinnen, wechselte ich von der Bleibe unter Brücken in die prestigeträchtigere Hauptstadt Berlin um.

Geblendet vom Erfolg, durch Anraten des »Heiligen Peter« krönte ich mich. Ich der Jugend starrte ich Löcher in die Luft, jetzt, die verlorene Zeit aufarbeitend, legte ich mich mächtig ins Zeug, um mein Lebensarbeitspensum wiederaufzuholen. Um mit dem größtmöglichen Erfolg an den Abnehmer zu gelangen, dachte ich mir über hundert Formen der Verblödung aus. Was ist ? Haben etwa nur die Medien das Recht dazu gepachtet ? Nix da! Durch gewitzte Methodik presste ich über eine Million Dokumente meiner Eitelkeit in die kalten Berliner Hände. Verdammt noch mal, die zahlten sogar, ich war überrascht. Mit dem Erlös kann man was Sinnvolles anstellen, ich könnte heute zig Vernissagen mit Dokumenten füllen, aber leider kann man einige der größeren Objekte nicht transportieren. Um zu verhindern, dass niemand sie, wahrend meiner irdischen Abwesenheit klaut oder für ein paar Cent verscherbelt, sind sie bis zum Amen zubetoniert, in meinem familiären Waldschloss, dort geht es ihnen gut. Zu allem Überfluss reichte es sogar, renomierte polnische Redakteure dreier Bücher und deutsche Übersetzer erster Liga zu bezahlen, sogar die Schneider haben sich das ein oder andere abgezackt. Und überhaupt drum herum beschissen sie alle - seis drum, zahlt alles das Berliner Volk. Ich eile weiter und warte auf das Signal von Oben und auf Kleinigkeiten achte ich nicht.

KAISER VON BERLIN